Invest-Equibrilistik 2.0: Plädoyer für eine neue Balance zwischen Chance und Risiko

Leon Christian BreuerPresse

Risikomanagement kostet prinzipiell Performance. Wenn man aber darin zugleich ein Chancenmanagement integriert, lassen sich spürbar bessere Ergebnisse erzielen, so Martin Weinrauter, Geschäftsführer der Grohmann & Weinrauter VermögensManagement GmbH.

Risikomanagement muss demnach bidirektional gedacht werden: Nicht nur in eine Richtung, nämlich zur Absicherung, sondern auch unter Einbeziehung von Chancen, also mit Denken Richtung Norden. „Nicht so viel, dass es Absicherungen aushebeln könnte, aber doch wieder so viel, dass der Ertrag deutlich höher ist als bei einem Managementansatz, der ausschließlich die Risiken im Blick hat“ befindet Weinrauter.

Generell bedeutet Risiko zunächst einmal nicht Verlust, sondern Schwankung von Asset-Preisen. „Wenn dann im Verlauf von fallenden Preisen allerdings Reißleinen gezogen und Assets verkauft werden, dann sind tatsächlich Verluste entstanden.“ Das primäre Ziel des Risikomanagements ist es daher, eine Situation zu vermeiden, in der Portfolios oder Teilportfolios mit Verlust glattgestellt werden müssen. „In Zeiten ohne Zins ist das zu einem anspruchsvollen Vorhaben geworden“, weiß Weinrauter aus dem täglichen Geschäft.

Die Strategie: Mit eingebauten Chancen Risikobudgets aufpolstern
Wie kann die Performance von Risikomanagementstrategien nun konkret erhöht werden, ohne das primäre Ziel des Risikomanagements aus den Augen zu lassen? Grohmann & Weinrauter hat sich mit dem Referenzportfolio AIRC BEST OF U.S. für diesen Managementansatz mit einem Teil der Assets von der typischen Vorgehensweise – Aktien long, Futures-Overlay short – gelöst, und investiert direkt in Einzelaktien aus dem NASDAQ-100 Index, die prognosefrei über Momentum- und Relative-Stärke-Strategien ausgewählt werden. Die Einzelaktien bringen Dynamik in das Portfolio, auch weil sie nicht in einem definierten Zeitablauf neu ausbalanciert, sondern die Gewinne laufen gelassen werden.

Indexstrategien zum DJIA und S&P 500 bilden das Gegengewicht, wenn Branchenrotationen wie seit Mitte Februar 2021 die Performance von Momentumstrategien unter Druck setzen. Die Strategie wird materialisiert in einem Mischfonds mit Aktien, Anleihen und Geldmarktinstrumenten. Den drei Bereichen DJIA, S&P 500 und NASDAQ ist jeweils ein Drittel des Budgets zugeordnet, die aktive Bewirtschaftung erfolgt streng regelbasiert. In die 30 Aktien des Dow Jones Industrial Average (DJIA) wird mit gleichen Stückzahlen physisch investiert. Die Steuerung der Investitionsquote erfolgt über DJIA-Futures-Hedges. Der Aktienanteil des S&P 500-Segements im Fonds wird nicht physisch gekauft, sondern über Long-Positionen des S&P 500-Futures abgebildet. Diese zwei Drittel des Portfolios stehen also in der klassischen Denk-Tradition von Risikomanagement-Kategorien.

Für das NASDAQ-Drittel wird das Chancenmanagement umgesetzt. An der Technologiebörse wird nicht in den gesamten Index NASDAQ-100, sondern in ein Kernportfolio aus bis zu zehn Aktien mit den dynamischsten Aufwärtsbewegungen investiert. Damit verfügt das Aktienportfolio über breite Diversifikation: Der S&P 500 bildet die US-Wirtschaft über praktisch alle Branchen ab, mit dem DJIA sind die Schwergewichte erfasst, die nach Momentum ausgesuchten NASDAQ-Werte stehen in Aufwärtsbewegungen der Märkte für Performancedynamik. Diese Konstruktion lässt sich effizient verwalten: „Die 30 Aktien des Dow lassen sich einfacher durch Käufe abbilden als 500 Aktien wie im S&P“, verdeutlicht Fondsmanager Martin Weinrauter. Noch einfacher wird es, wenn man die Average-Struktur des DJIA anschaut. „Aktien mit einem hohen Preis haben daher ein höheres Gewicht als Aktien mit einem niedrigen Preis, denn jede Aktie im DJIA bringt die gleiche Stückzahl ein.“ Daher ist es auch so einfach, diesen Index abzubilden – und ihn über einen Futures-Kontrakt abzusichern.

Mix von Index-und Momentum-Strategie
„Grundlage des S&P-Portfolios sind US-Staatsanleihen oder auch anteilig Cash. Die Long-Position im S&P-Futures bildet exakt das angestrebte Exposure im S&P ab. Es gibt nur eine Long-Position im S&P-Futures. Es werden keine Long-Positionen gegen Short-Positionen gestellt“, so Weinrauter. Verkürzt gesagt: Ermittelt das Risikomanagement-Modul aus dem Vergleich der Kursentwicklung von Aktien und Anleihen einen Rückgang des Index, schließt der Fonds Futures-Long-Positionen, stehen die Zeichen Richtung Norden, wird entsprechend die Long-Position im Future erhöht.

Für den NASDAQ-Bereich sieht die Strategie keine Index-Betrachtung vor, stattdessen werden bis zu 10 Aktien physisch gekauft – und zwar jene, die Momentum aufweisen. Die Besonderheit in diesem Segment: Gewinne werden ohne Rebalancing laufen gelassen. „Auf diese Weise können Einzelwerte wie Tesla oder wie zuvor NVIDIA bis zu 10% des gesamten Fonds ausmachen“, sagt Weinrauter. So ein Homerun einer Aktie wirkt als Performance-Turbo. Anders ausgedrückt: Die Strategie hat immer dann die besten Chancen, wenn nicht die gesamte NASDAQ boomt, sondern es einige Highflyer-Aktien gibt – die die mathematischen Modelle hinreichend früh als Momentum-Aktien entdecken und in stabilen Trends über längere Zeiträume halten können.

Im Gegensatz zu den monatlichen Dispositionsintervallen für das Chancen- und das Risikomanagement der Aktien des NASDAQ-Teilportfolios erfolgt die Steuerung der beiden Indexstrategien DJIA und S&P wöchentlich um schnelle Anpassungen an Marktveränderungen zu ermöglichen. „Per Saldo scheint diese Häufigkeit von der Performancebetrachtung her eher ein Nachteil zu sein, weil auf diese Art viel Traffic entsteht, aber gerade in kritischen Marktphasen zahlt es sich aus, schnell zu reagieren.“ Rein technisch, als Blick in den Maschinenraum des Fonds, bedeutet das beim DJIA: Permanenter Long Index über die 30 Aktien, die errechnete Quote entsteht über eine Gegenposition Short-Futures gegen die Long-Position der Aktien. Die 30 Aktien bleiben im Portfolio. Sie werden nicht verkauft, was auch steuerlich wichtig ist, da der Fonds steuerlich als Aktienfonds gilt.

Grundlage der Strategie bildet der prognosefreie Ansatz, also die Verlagerung des Auslösens von Kauf und Verkauf auf mathematische Modelle. „Unser Beitrag zum Erfolg ist die Disziplin, zu kaufen, und dann den Kursanstieg auszuhalten“ formuliert es Weinrauter. Die ebenfalls als professionell anerkannte Vorgehensweise, in regelmäßigen zeitlichen Abständen den Wert jeder Aktie wieder zurück auf die Ausgangsgewichtung zu setzen, wird in diesem Fonds nicht verfolgt, anders als in G&W-Strategien, bei denen das gesamte Portfolio im Chancenmanagement über Momentum gesteuert wird. Eine Aktie, die sich in einem Monat verdoppelt hat, verkauft dann 50% der Position. Das gesamte Gewinnpotential kann so zwar nicht ausgeschöpft werden. Aber die Aktie bleibt im Portfolio. Es ist ein beruhigender Kompromiss für Portfolios, die von ihren Grundstruktur her mit mehr als einem Drittel dynamisch aufgestellt wurden.

Die G&W-US-Strategie sieht unter der Überschrift Chancenmanagement für die Aktienstrategie eine offensivere Vorgehensweise vor: Die ausgewählten Momentum-Werte aus dem NASDAQ-100 bleiben so lange im Portfolio, bis sie von einer momentumstärkeren Aktie verdrängt werden. Tesla zum Beispiel wurde gekauft und blieb ungeschmälert im Bestand, so dass im Anstieg der Aktie das volle Potential ausgeschöpft werden konnte. Sie war der erste „Tenbagger“ in der dreißigjährigen Geschichte als Fondsmanagers.

Das können die Modelle – und das nicht
Mathematik, so ein alter Kalauer für Erstsemester, sei deshalb so wertvoll, weil man sich mit ihrer Hilfe viel genauer irren kann. Deshalb ist es wichtig zu beachten, was die angewandten Modelle können, und noch wichtiger, was nicht: „Das Entstehen eines Trendwechsels können wir durch die mathematischen Modelle nicht identifizieren. Es ist nie möglich zu sagen, ob wir eine Korrektur im Trend haben, oder eine Trendwende. Wir reagieren daher Woche für Woche auf die veränderte Datenlagen und passen Schritt für Schritt an“, so Weinrauter. „Zum ultimativen Test im März 2020 haben die Systeme funktioniert. Bereits sieben Handelstage nach dem Allzeithoch Mitte Februar 2020 haben die Risikomanagementsysteme des Fonds die Aktienquote von 80% auf 50%, eine Woche später auf 33% und anschließend auf 12% reduziert. Anfang Mai ging es in zwei Dispositionsschritten wieder auf 45% und anschließend wieder auf über 60% hoch. Der Fonds hat in den vergangenen fünf Jahren eine Rendite von deutlich mehr als 10% p.a. ohne größere Rücksetzer der Fondspreise erzielt. Im Verlauf des Corona-Crashs war er nahezu komplett aus dem Markt und kam anschließend konsequent wieder zurück in die Aktienpositionen.“

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