Geschichte
Die Reaktion der Börsen auf die Covid-19-Pandemie ist jetzt – im Frühjahr 2021 – bereits ein historisches Ereignis. Das Ausmaß der emotionalen Belastung für jeden Anleger im Moment dieses Geschehens ist mit dem zeitlichen Abstand eines Jahres kaum noch vorstellbar. Andere Themen haben anschießend die Aufmerksamkeit der Kapitalmarktteilnehmer wie Brenngläser auf sich gezogen: die US-Wahl, der Vollzug des Brexits, die dritte oder schon die vierte Corona-Welle. Immer wieder gibt es ein Tagesereignis, dem das gesamte Aufmerksamkeitsspektrum zugebilligt wird. Börsen reagieren situativ, greifen weit voraus in die Zukunft und vergessen schnell.
Gegenwart
Das erste Quartal 2021 wurde bis Mitte Februar von den Nachbeben der US-Wahl geprägt. Welle auf Welle lief durch den Markt. Immer wieder neu wurde ein neues Risiko als Drama inszeniert. Immer wieder neu lösten sie sich in Wohlgefallen auf und trieben den dynamischen NASDAQ-100-Index auf ein neues markantes Allzeithoch. Technologie war der Motor dieser Bewegung, ebenso wie Unternehmen, die ganz allgemein in der Lage waren, während der Corona-Zeit einen Durchbruch ihres Geschäftsmodells zu erzielen. Bekannte Namen in den USA sind Zoom Video Communications und Peloton Interactive. Video Konferenzsysteme gab es schon lange, aber während der Lockdowns und der Vertreibung der Büroarbeiter in ihre Homeoffices waren sie das Gebot der Stunde. Wer sich sportlich betätigen wollte, musste sich die entsprechende Motivation ebenfalls in seinen eigenen vier Wänden holen und so erzielte Peloton seinen großen Durchbruch.
Die Kursanstiege dieser Aktien im unsicher erscheinenden Börsenumfeld waren phänomenal. Ein Investor, der nicht unbeirrt den Trends steigender Kurse folgt, hätte kaum eine Chance gehabt, an ihnen zu partizipieren. Entweder hätte man die Aktien nicht gekauft, weil sie von vornherein zu teuer waren, oder man hätte sie viel zu früh verkauft, denn es erschien unvorstellbar, dass sie so weit steigen könnten.
Aber egal wie hoch eine Aktie auch in zuvor unvorstellbare Höhen gestiegen sein mag – irgendwann erreicht jeder Kursanstieg seinen Zenit und dann geht es abwärts. Die Kurse fallen dann häufig nicht etwa, weil das Geschäftsmodell keine Zukunft mehr verspricht. Zweifel an der Bewertung gewinnen die Oberhand. Wohin gehören die Kurse von Aktien wie Zoom oder Peloton? Beide Aktien hatten sich auf Sicht von zwölf Monaten nahezu vervierfacht. Beide Aktien haben anschließend ca. 40 % Kursrückgang über sich ergehen lassen müssen. Zoom hat dafür sechs Monate gebraucht. Peloton hat es in drei Monaten geschafft.
Bewertung
In ihrem je eigenen Antwortversuch auf diese Bewertungsfragen stehen sich Welten aus grundsätzlichen Überzeugungen gegenüber. „Growth“ heißt der eine Pol, der andere wird als „Value“ bezeichnet. Die Tech-Werte der NASDAQ gehören im Regelfall dem Lager der Wachstumswerte an. Klassische und nachvollziehbare Bewertungskriterien wie Gewinne und freie Einnahmenüberschüsse spielen hier eine geringe, häufig sogar überhaupt keine Rolle. Es zählt Wachstum. Es zählen künftige Marktanteile und das Potential, in einer späteren Zukunft viel Gewinn erzielen zu können.
Tesla ist das perfekte Beispiel für solch eine Aktie. Niemals hätte ein Value-Investor diese Aktie gekauft. Aus seiner Sicht gab es nur gute Gründe dafür, dies nicht zu tun. Auch wenn man selber von Haus aus kein Value-Investor ist, wird man diese Gründe als nachvollziehbar gute Gründe anerkennen können. Aber dennoch bleibt ein Faktum bestehen: Tesla konnte man z. B. im Dezember 2019 für 67 USD kaufen (adjustiert um einen Aktiensplit). Dreizehn Monate später, im Januar 2021, stand diese Aktie bei ca. 900 USD. Das ist keine Vervierfachung, das ist mehr als ein klassischer „Tenbagger“ (Verzehnfacher).
Wie kann so etwas geschehen? Alles muss hier zusammenkommen, und alles kam in diesem Fall auch zusammen. Tesla wurde als Tech-Wert angesehen, nicht als Autoaktie. Man hat gesehen, dass dieses Unternehmen den Durchbruch des Elektroantriebs bei Autos erzielt hat. Der technologische Vorsprung wurde mit mehreren Jahren angesetzt, nicht einholbar in nächster Zeit. Tesla hatte nicht nur einem alten technologischen Konzept zum Durchbruch verholfen, man glaubte jetzt auch, dass Tesla – zumindest auf absehbare Zeit – nicht mehr von den Platzhirschen verdrängt werden könnte. Plötzlich erzielte das Unternehmen Gewinne (wenn auch nicht mit der eigentlichen Autoproduktion, sondern mit CO2-Gutschriften). Die Aktie wurde in den S&P-500 Index aufgenommen. Hedgefonds, die auf fallende Kurse spekuliert hatten, wurden durch permanent steigende Kurse gezwungen, ihre Short-Positionen einzudecken. Eine unmögliche Geschichte? Genauso ist es jedoch abgelaufen.
Drei G&W-Fonds haben mit Tesla-Aktien diese Gewinne erzielt. Für Value-Investoren wäre es unmöglich gewesen, dabei zu sein. Für Growth-Investoren hätte es machbar sein können. Doch G&W setzt in den Fonds, die Tesla gekauft haben, nicht auf Wachstumsüberlegungen, sondern auf Momentum-Modelle. Momentum kauft Aktien, die sich stärker nach oben bewegen als andere Aktien. Tesla erfüllte dieses Kriterium und hielt dies einen überdurchschnittlich langen Zeitraum (der Durch-schnitt liegt bei ca. 20 Wochen) durch.
Nachhaltigkeit
Die Tech-Werte, besonders Unternehmen, die in der Corona-Zeit Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnten, hatten in der Erholungsphase nach dem Corona-Crash ab Mitte März 2020 die Börsen beflügelt. Vor allen anderen westlichen Indizes haben sie dem NASDAQ-100 nach der „Recovery“ zu neuen Allzeithochs verholfen. Als sich im Januar 2021 der von den Turbulenzen um die US-Wahlen aufgewirbelte Staub gelegt hatte, stand ein neuer Favorit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Nachhaltigkeit, und hier in erster Linie unter ökologischen Gesichtspunkten das Klima. Erneuerbare Energien waren das angesagte Thema: Solar, Wind, Wasserstoff. Aktien aus all diesen Sektoren waren auch im Jahr 2020 schon mit relativer Stärke unterwegs gewesen. Im Januar gab es kein Halten mehr. Viele Aktien verdoppelten sich nach zuvor bereits herausragendem Kursverlauf innerhalb weniger Wochen nochmals. Sie waren der Trend der Stunde. Sie sind aber auch gleichzeitig das große Thema der Zukunft.
Plug Power war der aufsehenerregendste Wert des Energie-Sektors. Unser erster und auch größter Nachhaltigkeitsfonds – im Regulierungsrahmen der Offenlegungsverordnung wurde er im März 2021 nach Artikel 9 klassifiziert, ist also ein Fonds, der tatsächlich über jeden Einzeltitel Nachhaltigkeitswirkung erzielt und dies auch überprüfbar nachweisen kann – hat Plug Power bereits im Oktober 2019 mit 2,54 USD gekauft. Ende Januar 2021 erreichte der Kurs der Aktie in der Spitze 75,49 USD. Da konnte selbst Tesla nicht mithalten. War Tesla schon ein Phänomen, so war der Lauf von Plug Power unbegreiflich. Jeder Marktteilnehmer, der sich nicht per se auf den Sektor „Erneuerbare Energien“ kapriziert hatte, konnte eher nicht dabei sein. Und wenn er dabei gewesen wäre, dann nur temporär. 20 % Gewinn sind doch gut? Bei 50 % Gewinn wird man doch rausgehen können? Oder gar müssen? All dies sind Reaktionsmuster, die der Partizipation an solch einem „Homerun“ wie bei Plug Power von fast 3.000 % Kursanstieg im Weg stehen.
Systematik Chancenmanagement
Auch wir würden uns selbst im Weg stehen, wenn wir mit versuchtem Wissen probieren würden, uns im Kursverlauf einer Aktie wie Tesla oder Plug Power behaupten zu wollen. Mit all unserer Erfahrung von Jahrzehnten wissen wir, dass wir so etwas nicht können. Wir brauchen dafür die Verlagerung der Auslösung von Kauf und Verkauf auf mathematische Modelle. Momentum ist solch ein Mittel. Momentum geht dorthin, wo sich die stärkste Dynamik im Kursgeschehen gebildet hat. Aktien wie Tesla und Plug Power werden von Momentum-Berechnungen immer gefunden. Unser Beitrag zum Erfolg ist die Disziplin, zu kaufen, und dann den Kursanstieg auszuhalten.
Risikomanagement im Detail
Es gibt zwei Wege, auf denen wir solch einem Kursanstieg folgen. Unser Referenzfonds im Nachhaltigkeitssektor reallokiert monatlich. Monat für Monat wird also der Wert jeder Aktie wieder zurück auf die Ausgangsgewichtung gesetzt. Eine Aktie, die sich in einem Monat verdoppelt hat, verkauft dann 50 % der Position. Das gesamte Gewinn-potential kann so zwar nicht ausgeschöpft werden. Aber die Aktie bleibt im Portfolio. Es ist ein beruhigender Kompromiss.
Unser US-Fonds geht den Weg anders. Er investiert in bis zu zehn der dynamischsten NASDAQ-100 Werte. Tesla wurde gekauft und blieb ungeschmälert im Bestand, so dass im Anstieg der Aktie das volle Potential ausgeschöpft werden konnte. Um ein Gegengewicht zu schaffen, investiert der US-Fonds nur mit einem Drittel in NASDAQ-Einzelaktien. Zwei Drittel des Fonds investieren in Dow Jones Industrial Average und S&P 500. Branchenrotationen treffen Indizes bei weitem nicht so stark wie Einzelaktienstrategien.
Branchenrotation
Anfang Februar 2021 begann es mit einer unscheinbaren Nachricht in den USA. Es wurden wieder Kleider gekauft, statt T-Shirts und Leggins. Die Damenwelt begann, sich auf einen neuen Alltag in der Öffentlichkeit vorzubereiten. Die forcierten Impfungen hatten einen Favoritenwechsel an den Börsen ausgelöst. Gekauft wurden nun die Aktien, die von dem erwarteten Boom in der Nach-Corona-Zeit profitieren würden. Die Mittel dazu wurden über Verkäufe der Gewinneraktien beschafft. Tech-Aktien gerieten unter Druck. Neuer politischer Wille zielt auf eine höhere und einheitliche internationale Besteuerung, sowie auf ein wesentlich höheres Datenschutzlevel. Besonders aber die Aktien der „Erneuerbaren Energien“ kamen in der zweiten Hälfte des ersten Quartals unter die Räder. Erneuerbarer Energie wird die Zukunft gehören, aber ob die Pionieraktien des Sektors es tatsächlich schaffen werden, daran wie Tesla zu partizipieren, oder ob es den alten Energieversorgern und Ölwerten gelingen wird, sie aus dem Markt zu drängen, wird erst die Zukunft zeigen. Unsere Momentum-Berechnungen hängen nicht an den Themen, sie haben bereits damit begonnen, die Portfolios neu auszurichten und umzubauen. Halbleiterhersteller sind z. B. das neue Tech-Thema an der NASDAQ.