Nachhaltige Chancen erkennen und nutzen: Mit systematischem Risikomanagement erfolgreich im Markt

Leon Christian BreuerPresse

Der Crash der Aktienmärkte im Herbst 1987 hat uns unvorbereitet getroffen. Niemand hatte damals dieses Szenario im Bankenumfeld kommen sehen. Von der Chronologie her war das Marktumfeld vergleichbar mit dem Kursverlauf im Jahr 2021. Nach einer Phase dynamisch steigender Kurse erreichte der Markt im August seinen Zenit, kam nicht weiter und fiel zurück. Natürlich gab es ein paar Börsenpropheten, die im späteren Rückblick Recht bekamen. Aber die gibt es immer, und manchmal passen einige ihrer Vorhersagen dann eindrucksvoll zum späteren Marktverlauf. Eine verlässliche Wiederholung solcher Volltreffer gilt allerdings als seltene Ausnahme. Nach fünf Jahren Aufwärtstrend wurde die Abwärtsbewegung damals eher erneut als willkommene antizyklische Kaufgelegenheit angesehen. Es sollte ganz anders kommen.

Die Verarbeitung solch eines Börsencrashs erfolgt nicht nur auf der rationalen Ebene. Ist kein systematisches Risikomanagement vorhanden, wird es bei immer länger und dabei immer tiefer fallenden Kursen zu einem Kontroll- und Vertrauensverlust kommen. Die Berichterstattung in den Medien verstärkt diese Reaktion und führt früher oder später dazu, mit Verkäufen eine Reißleine und damit einen Schlussstrich unter diese psychische Belastung zu ziehen. Die anschließende Rückkehr in den Markt ist nach solch einem Schritt ausgesprochen schwer, denn die Kurse werden wieder steigen, wenn die Belastungen noch lange nicht aus dem Markt verschwunden sind.

Die G&W-Unternehmensgründer wollten Ende der 80er Jahre eine Antwort auf die Frage finden, wie man es schaffen kann, in solch einem Marktumfeld nicht erst dann zu reagieren, wenn der Leidensdruck so groß geworden ist, dass man ihn nicht mehr ertragen kann. Sie wurden schließlich bei der Fachliteratur in den USA fündig. Die Lösung lag darin, Kursrückgänge nicht als Chance zu begreifen, sondern als Risiko, schließlich beginnt jeder große Kursrückgang immer mit einem kleinen Kursrückgang. Das Problem liegt auf der Hand, denn nicht jeder kleine Kursrückgang führt zu einem Börsencrash. Zudem gibt es nichts emotional Reizvolleres, als antizyklisch erfolgreich gegen den Markt zu handeln. Eine prozyklische Risikomanagementstrategie war daher eine grundlegende Umkehrung der Verhaltensmuster. Aber sie ist auf Dauer die einzige systematische Lösungsmöglichkeit.

Doch wie das so ist mit Grundsatzentscheidungen, sie mögen zwar richtig sein, lösen aber nicht die praktischen Probleme. Wo und wie sollten die Punkte definiert werden, an denen gehandelt wird? Jeder, der z.B. mit Stop-Loss-Marken arbeitet, kennt das Problem. Setzt man sie eng, kann man sehr effizient Verluste begrenzen oder Gewinne sichern, aber man fliegt auch sehr schnell aus dem Markt. Handelskosten und Geld-Brief-Spannen zeigen dann schnell die praktischen Grenzen von theoretisch guten Lösungsansätzen auf. Zudem ist es eine Frage, wie man zurückkommt, wenn der Markt nach einem Marktausstieg zeitnah wieder aufwärts dreht. All diese Fragen finden sich in jedem strategischen Lösungsansatz wieder, und eine der wichtigsten Lösungen dafür ist der Verzicht auf die optimale Lösung. Stattdessen werden Handelssignale genauso diversifiziert wie Investments in Märkte und Finanzinstrumente, und der Schlüsselfaktor für ihre erfolgreiche Umsetzung ist Disziplin.

Risikomanagement ist kein Arbeitsumfeld, in dem es Stillstand gibt. Die Reaktionsmuster in den Märkten verändern sich. Diversifikation über Märkte und Anlageklassen zu erzielen, ist zunehmend schwieriger geworden. Viele Bewegungen der Aktienmärkte verlaufen schneller und paralleler als früher und werden deutlicher von den Kapitalströmen im Markt und den Erwartungshaltungen der Investoren als von den Fakten der Märkte ausgelöst. Auch der sichere Hafen von Triple-A-Anleihen mit langen Laufzeiten hat in einem Umfeld ohne Zins selbst im Corona-Crash keine Ausgleichserträge mehr erzielen können. Es ist für Risikomanager damit deutlich schwieriger geworden, Schwankungen der Märkte ausgleichen zu können und dabei auf der Ertragsseite nicht zu sehr hinter der langfristigen Performance von Aktienmärkten zurückbleiben zu müssen.

All diese Entwicklungen haben sich bereits vor einigen Jahren abgezeichnet. Die Lösungsansätze, mit denen G&W dem systematischen Risikomanagement im November 1993 die Tür ins Management von Publikumsfonds in Deutschland geöffnet hat, verloren an Wirksamkeit. Der erste vermögensverwaltende Mischfonds Deutschlands, von G&W initiiert, erreichte sein Allzeithoch im Frühjahr 2015. Vorausgegangen waren herausragend gute Jahre und ein Award für den Fonds mit dem besten Gleichgewicht zwischen Chancen und Risken über einen Zeitraum von fünf Jahren. Seine Handelssignale waren breit diversifiziert, doch die immer schnelleren Märkte und der fehlende Zins samt den ausbleibenden Kursgewinnen nach dem jahrzehntelangen Aufwärtstrend von Anleihen im Umfeld fallender Renditen erforderten ein Umdenken.

G&W hat 2014 gemeinsam mit Physikern und IT-Spezialisten ein hauseigenes Institut für Kapitalmarktforschung gegründet. Es ging für das Absolute Investments Research Center (AIRC) nicht darum, Grundlagenforschung zu betreiben. Dafür hätten die Möglichkeiten von G&W nicht ausgereicht. Ziel war die Überprüfung von Veröffentlichungen der Kapitalmarktforschung auf ihren tatsächlichen praktischen Nutzwert und dabei besonders auf die Erhöhung des langfristigen Ertrags sowie die Reduzierung der Anfälligkeit des prozyklischen Risikomanagements von den Performancebelastungen in Seitwärtsbewegungen.

Beide Fragen sind die ultimative Herausforderung für prozyklische Risikomanager. Es gilt als gesetzt, dass Risikomanagement darauf abzielt, Risiken zu senken. Der Preis dafür ist eine geringere Performance. Wer das eine will, muss das andere akzeptieren. Auch das Problem einer Seitwärtsbewegung gilt als Gegebenheit, der man nicht ausweichen kann, und die Underperformance in diesen Phasen als der Preis, der zu zahlen ist, um zuverlässig und systematisch in den großen Abwärtsbewegungen der Märkte geschützt sein zu können.

Der Lösungsansatz für beide unlösbaren Fragen durch das Forschungsteam konnte nur über eine Vorgehensweise gefunden werden, die eine Vorstellungsmauer durchbrach, und an den Umgang mit dem Ei durch Kolumbus erinnert: Wer einen höheren Ertrag im Risikomanagement erzielen will, muss bereit sein, Beta und Vola des An lage univer sums zu erhöhen. Allerdings macht das nur dann Sinn, wenn der Maximum Drawdown des Portfolios in kritischen Marktphasen kontrolliert werden kann. Der erste Fonds, mit dem G&W diese Vorgehensweise in der Praxis umgesetzt hat, ist der AIRC BEST OF U.S. Der Fonds wurde im September 2014 aufgelegt. Seit fünf Jahren werden Beta und Vola für einen Teil des Portfolios erhöht. Die Ergebnisse der Vorgehensweise können sich sehen lassen.

Der Umgang mit Nachhaltigkeitsherausforderungen ist seit vielen Jahren ein Thema für G&W. Die Motivation für diese Auseinandersetzung lag zunächst in der persönlichen Betroffenheit einzelner Menschen im Unternehmen von Einzelaspekten der Nachhaltigkeit. Im Vordergrund standen Fragen des Tierwohls und der Biodiversität, aber auch die Faszination technischer Lösungen, wie dem Einsatz von Brennstoffzellen in Autos. G&W hat diese Themen als Risiken und Chancen empfunden, und so stellte sich die Frage, wie ein Manager von Risiken und Chancen auf seine Weise einen Beitrag zur Lösung expliziter Nachhaltigkeitsrisiken leisten könnte.

Der Durchbruch öffnete sich über den Lösungsansatz von AIRC für das Ertragsproblem von Risikomanagementlösungen. Ein Portfolio mit höherem Beta lässt sich nur über das Management von Einzelaktien lösen. Eine präzise Steuerung der Risiken derart individueller Portfolios aber lässt sich nicht präzise genug über ein Futures-Overlay lösen und fordert den Kauf und Verkauf von Aktien, mit all den Folgen für die Handelskosten, die damit zusammenhängen. Die Chancenmanagement- Lösungen, die von AIRC erarbeitet wurden, ermöglichten die Annahme der Herausforderung, ein Nachhaltigkeitsportfolio mit höchstem Anspruch über Chancen und Risikomanagement-Algorithmen steuern zu können.

Die praktischen Erfahrungen mit AIRC haben G&W gezeigt, dass nicht alle Lösungen im eigenen Haus gefunden werden müssen. Teamwork mit kompetenten Partnern hatte sich bewährt, und so fiel die Entscheidung nicht schwer, auch für das Thema Nachhaltigkeit partnerschaftsorientierte Lösungswege gehen zu wollen. Partner der ersten Stunde waren für G&W bei der SDG-Themensetzung Ökorenta aus Luxemburg und die Steyler Ethik Bank. Der erste SDG-Fonds in Deutschland wurde im Teamwork konzipiert und im Dezember 2017 aufgelegt. Für die Erarbeitung einer Antwort auf die CO2-Herausforderung sind right. based on science, ESG Portfolio Management und Nixdorf Kapital hinzugekommen.

Eine große Frage hat sich G&W dabei auch selbst gestellt. Wie sehr lässt sich das Unternehmen von der Herausforderung durch die Nachhaltigkeitsrisiken in Frage stellen? Für G&W konnte es kein Ausweichen geben. Seit 2019 durchläuft das Unternehmen ein externes und konsequentes Nachhaltigkeitscoaching bei der Suche nach Antworten, die gegeben werden können und wollen.

 

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