“Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“ Joachim Ringelnatz hat bei seiner Feststellung bestimmt nicht an Fondsanlagen gedacht, wenngleich sie natürlich darauf zutrifft. Doch wenn Sicherheit schon nicht existiert – vielleicht gibt es ja etwas, das weniger unsicher ist? Nachhaltige Fonds zum Beispiel. Die Diskussion, dass nachhaltige Anlagen Rendite kosten, ist seit geraumer Zeit verstummt – mehr noch: Eine Analyse der Ratingagentur Scope zeigt jetzt, dass originär nachhaltige Fonds in einer kurzfristigen ZwölfMonatsWertentwicklung überzeugten: Während sie im Schnitt um 22,3 Prozent zulegten, kam der MSCI World lediglich auf 6,7 Prozent. „Grundsätzlich ist es wichtig und richtig, kontroverse Geschäftsfelder, die ein hohes Reputationsund dadurch auch wirtschaftliches Risiko bergen, kategorisch aus dem Investmentuniversum auszuschließen“, sagt Frederic Waterstraat, ESG Consultant bei Berenberg. Erfolgversprechend sei aber auch im ESGKontext die Identifikation von Unternehmen, die Antworten auf die dringlichsten Herausforderungen unserer Zeit liefern, etwa zu Themen wie Ressourcenknappheit, Klimawandel oder Demographie und Gesundheit. Die Investments sollten fortlaufend analysiert werden, um auf ESGRisiken reagieren zu können. Dazu gehörten auch EngagementAktivitäten, um Chancen und Risiken und positive Einflussnahme hinsichtlich einer nachhaltig erfolgreichen Geschäftsführung und damit gleichzeitig stabilen Performance zu erzielen.
Schwieriger Start
In der Rückschau über einen längeren Zeitraum schneiden ältere Nachhaltigkeitsfonds nur durchschnittlich ab, weil viele Neuauflegungen während der ersten großen Welle kurz vor oder während der Finanzkrise 2008 einen schwierigen Start hatten. Die schwache Wertentwicklung einiger Schlüsselindustrien wie Photovoltaik belasten die Performance in den langfristigen Zahlen. „Insgesamt ist das Universum für ÖkologieAktienfonds in den letzten Jahren gereift, was auch positive Auswirkungen auf das RenditeRisikoProfil der Fonds hatte“, stellt Scope fest. Die kurzfristige Outperformace darf im Gegenzug nicht überbewertet werden, weil Branchen wie Touristik/ Kreuzfahrten, Luftverkehr oder Rohstoffe/Öl in der Pandemie extrem abgestraft wurden – Bereiche, die sich in nachhaltigen Fonds nicht finden. Hier werde es in der langfristigen Betrachtung wieder zu ausgleichenden Bewegungen kommen. Darauf weist auch Martin Weinrauter von Grohmann und Weinrauter Vermögensmanagement hin: Erneuerbare Energien seien der Schlüssel zu einer Reduktion von CO2Emissionen. Es sei daher keine Überraschung, dass zum Beispiel der Preis einer Dividendenaktie wie Royal Dutch Shell zwischen dem Frühjahr 2018 und dem Herbst 2020 einen Rückgang des Aktienpreises von circa 65 Prozent über sich ergehen lassen musste. „Schaut man sich die fulminanten Gewinne von Aktien aus dem Solarund Wasserstoffsektor in diesem Zeitraum an, dann sieht es auf den ersten Blick so aus, als hätte die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten Stiftungen vor Verlusten bei den ansonsten so beliebten Dividendentiteln aus dem Sektor Big Oil bewahren können.“ Für den genannten Zeitraum und in diesem Sektor stimme das zwar, doch Weinrauter warnt vor voreiliger Verallgemeinerung: „Erweitert man den zeitlichen Rahmen und schaut sich das Geschehen seit Februar 2021 an, dann steht fest, dass die erneuerbaren Energien kein Anlagesektor sind, der vor massiven Rückschlägen der Fondspreise bewahrt. Ganz im Gegenteil. Der gesamte Sektor wurde nach der Wahl von Joe Biden zum USPräsidenten beflügelt, und der Hype kam im Rahmen einer Branchenrotation an der Börse massiv unter die Räder.“ Es war am Ende eine Frage der Bewertungen und auch dessen, ob sich die kleinen und mittelgroßen Unternehmen des Sektors künftig gegen die klassischen Energieunternehmen werden behaupten können, wenn diese es als alternativlos ansehen werden, den Sektor mit ihrer Finanzkraft zu übernehmen, befindet der Risikomanager Weinrauter. Oliver Brunner, CoLeiter Multi Asset Portfoliomanagement und Fondsmanager des Berenberg Sustainable Stiftung, sieht Risiken bei zahlreichen Einzeltiteln, weswegen Fondsinvestments erhebliche Diversifikationsvorteile böten, um sich nicht ausschließlich auf eine sehr begrenzte Anzahl an Titeln oder Themen fokussieren zu müssen. „Nachhaltige Einzeltitel weisen inzwischen teilweise vergleichsweise hohe Bewertungen auf“, so Brunner. Dies sei in gewissem Sinne eine „Nachhaltigkeitsprämie“, die aufgrund der Erfahrung um ein reduziertes Rückschlagsrisiko in Sachen ESG bereits erkannt und eingepreist worden sei. Entsprechend verhielten sich diese Werte mitunter sehr volatil.“
Detaillierte Betrachtung
Waterstraat betont die unterschiedliche Risikostruktur je nach Grad der nachhaltigen Ausrichtung: „Ausschlüsse allein garantieren noch keine Risikoreduzierung, sind aber eine erste Voraussetzung für ein sinnvolles ESGPortfolio. Ausschlüsse in Verbindung mit BestinClassAnsätzen stellen bereits eine Weiterentwicklung dar, sind aber unseres Erachtens auch nur ein weiterer Schritt, weil letztlich immer noch nicht nachhaltige Unternehmen oder Branchen ausgewählt werden könnten – Beispiel dafür sind etwa Tabak oder Kohle.“ Auch die Einbindung der vielfach verwendeten ESGRatings könne nachteilig sein. Eine Untersuchung von Berenberg hat gezeigt, dass zum Beispiel europäische und große Emittenten aus verschiedenen Gründen bei der Benotung Vorteile etwa gegenüber kleinen, geringer kapitalisierten Firmen haben. Auch unterschieden sich die Noten der ESGRatingAnbieter für Unternehmen signifikant. „Letztlich gilt: Unternehmen mit hohem Nachhaltigkeits/ SDGImpact haben langfristig überdurchschnittliche Perspektiven aufgrund des intrinsischen Wachstums dieser Themen. Andererseits ist zu beachten, dass einige dieser Unternehmen teilweise durch hohe Erwartungen und Bewertungen gekennzeichnet sind, was sie anfällig für temporäre Rückschläge macht“, so Waterstraat.
Risiko nicht einfach aussitzen
Dieses Risiko könne man nicht einfach aussitzen, befindet Weinrauter, sondern müsse es aktiv angehen. Die grundsätzliche Frage, ob Kapital, das anhand von etablierten Nachhaltigkeitskriterien investiert wird, grundsätzlich weniger Risiken ausgesetzt ist als Anlagen, die negative Nachhaltigkeitsauswirkungen und nachhaltige Investitionsziele nicht berücksichtigen, könne nur differenziert beantwortet werden: „Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken sollte dazu führen, dass eben diese Risiken im Anschluss weniger negative Auswirkungen auf die entsprechenden Kapitalanlagen haben werden. Ob ein Schutz der Investitionen vor weiteren und anders gelagerten Risiken besteht, bezweifle ich.“ Das bedeutet im Klartext: „Will man Stiftungsportfolios nicht nur vor Nachhaltigkeitsrisiken, sondern auch während großer Abwärtsbewegungen der Märkte vor dem Risiko eines starken Rückgangs der Marktbewertungen schützen, kann nur ein temporärer Verkauf der Aktien dieses Risiko steuern.“ Für Brunner ist klar, dass nur ein konsequenter, umfassender Nachhaltigkeitsansatz geeignet ist, die gewünschten Zielsetzungen zu erreichen: Reduktion von ESGbedingten Rückschlägen und attraktive Erträge sowie die positive Wirkung auf die Umwelt. Weinrauter ergänzt: „Löst man sich vom Energiesektor als einem der wesentlichen Felder offensichtlich nachhaltiger Kapitalanlage und schaut auf einen Vergleich des MSCI WorldIndex mit seiner nachhaltigen Investitionsvariante, dann wird auf einen Blick erkennbar, dass der grüne Index in den kritischen Marktphasen im Herbst 2018 oder im CoronaCrash keineswegs geringere Drawdowns über sich ergehen lassen musste.“
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